Luther übersetzt
So hat man vor Luther verdeutsch:
Ex abundantia cordis os loquitur.
Aus dem Überfluss des Herzens spricht der Mund.
Bei Luther:
Wes des hertz vol ist, des gehet der mund uber.
Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund.
Ebenso kritisch steht Luther folgender Vulgata Stelle gegenüber:
Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnaden
Bei „voll“ so Luther denke der Deutsche seiner Zeit eher an ein volles Faß Bier.
Besser wäre die Verdeutschung:
Du holdselige Maria! Noch besser wäre gewesen: „Gott grüße dich, du liebe Maria!“
Es hieße Luthers Übersetzungswerk schwer verkürzen – wenn man bei seiner Arbeit nur an den gern zitierten Satz denkt: „Dem Volk aufs Maul schauen.“ Anders als heute war mit „Maul“ keine besonders bäuerlich-derbe Ausdrucksweise gemeint; sonder war umgangssprachlicher Normalton für Mund.
So wird von katholischer Seite schwer kritisiert, dass Luther eben nicht die „Maria voller Gnaden sein läßt.“ Aber Luther hat gute Gründe. Die erste Herangehensweise ist die über die Sprache. Luther versetzt sich in die Lage Marias, denkt darüber nach, wie sie der Engel wohl angesprochen haben wird. Das wäre – so Luther – wohl auf Hebräisch gewesen. So sucht er im alten Hebräischen nach einer passenden Anrede und findet sie bei der Anrede des Engels an Daniel im Buch Daniel: „Isch Hamudoth“ steht da, was Luther mit „Du lieber Daniel“ wiedergebt.
Luther macht es sich nicht leicht und oft tauchen Probleme auf.
Luther meint hier auch, die vielen einfach neuen Begriffe, die es zu übersetzen gilt. Im ALT stößt Luther auf seltsame Tiere: „Camaeleon“ steht da oder: Oryx oder „Crocodylon“.
Kein Deutscher hatte damals etwas von solchen Tieren gehört.
Luther setzt in der Übersetzung Stilmittel ein, etwa das bekannte Summieren von Vokalen in einem Satz, hier mit dem „i“ in der Weihnachtsgeschichte:
„Ihr werdet finden das Kind in windeln gewickelt / vnd in einer Krippen ligen.“ (Lk 2,12)
Den Weg, den Luther gegangen ist, sieht man an zwei Bsp.:
In der ersten deutschen Bibel von Mentelin 1466 geht der 23. Psalm so:
„Der Herr, der richt mich, und mir gebrast nit, und an der Statt der Weide, do setzt er mich hin. Er führt mich ob dem Wasser der Wiederbringung:“
Luther sagt:
„ Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Au und führt mich zum frischen Wasser.
Daneben finden Wörter, die nur in Wittenberg und Umgebung verstanden wurden, von hier aus ihren Weg in die Welt: Das „Scherflein“, dass jeder beitragen muss, ist eine kleine Erfurter Scheidemünze, Der „Scheffel“ unter den man das Licht nicht stellen soll, ist ein Getreidemaß und dass „Hochmuth vor dem Fall“ kommt ein Luther Wort, wie „Seine Hände in Unschuld waschen“, „jemanden auf Händen tragen“ uvm.
An heute noch gebräuchlichen Einzelwörtern gibt es „den Feuereifer“; der „Schauplatz“; ebenso viele Eigenschaften wie: kleingläubig, geistreich, fromm oder gottselig. Auch so poesievolle Begriffe wie das Morgenland (dem man noch im 16. Jahrhundert das Abendland zur Seite stellte) gehen direkt auf Martin Luther zurück.
Die Bibelübersetzung findet 1534 mit der ersten Vollbibel in Wittenberg keinen Abschluss. Ständig wird revidiert an einer neuen Auflage gebastelt, Fehler korrigiert etc. Erst mit der letzten Ausgabe, an der Luther noch mitgearbeitet hat, die „Ausgabe letzter Hand“ 1546 kehrt Ruhe ein und die Luther-Bibel bleibt für Jahrhunderte – bis 1912 unangetastet. Es ist hier nicht die Zeit und der Platz auf die Erneuerungsversuche des Luthertextes einzugehen. Behutsames Adaptieren muss wohl sein, um den Text lesbar zu halten; man kann da aber auch schnell des guten zu viel tun, wie mit der „Bibel in gerechter Sprache“ oder der 1975er Überarbeitung des Luthertextes. (Eimertestament!).