Wichtige Bücher
Was es nicht gibt, ist eine umfassende Bibliographie – und das hat Gründe. Einerseits ist das Fach- und Spezialwissen einem Sammler heilig; es gibt also wenig Grund sich in die Karten schauen zu lassen. Zum anderen wird zu den Bibelhandschriften und Bibeldrucken seit hunderten Jahren geforscht; eine genaue Aufstellung der Werke dazu sind schlechterdings eine Unmöglichkeit. Auch ich kann Ihnen nur eine Werkauswahl anbieten; die aber recht gut einige Aspekte des Bibelsammelns abdecken. Eine große zusammenfassende Sammlung zum Thema fehlt leider. Kurioserweise sind die ältesten Drucke, die am besten erforschten. Es gibt eine große Menge Publikationen zu den 18 deutschen Bibeln vor Luther und eine Fülle an Veröffentlichungen zum Septembertestament selber bis hin zu etlichen Titeln, Luthers Vollbibel betreffend. Die Veröffentlichung zu den frühen katholischen Bibeln ist da schon viel überschaubarer und Bücher oder Veröffentlichungen zu Bibeln des 17. und 18. Jahrhunderts kann man an einer Hand abzählen. Erschrecken Sie nicht, wenn die Veröffentlichungen teilweise selber schon ein biblisches Alter haben – ich habe sie aus gutem Grund ausgewählt und es gibt vielfach nichts Besseres. Leider sind sehr viele der unten angeführten Werke inzwischen vergriffen. In Antiquariaten erreichen sie als gebrauchte Bücher stolze Preise.
TIPP: Versuchen Sie an einen Bibliotheksausweis einer Uni in Ihrer Nähe zu gelangen. Das ist meist nicht so schwer, und es erlaubt Zugriff auf die Bücher der Universität. Und Kopieren in der Sekundärliteratur ist auf allen Unis erlaubt. Natürlich hat das nur Sinn, wenn an der Uni auch Geschichte oder Theologie angeboten wird (am besten beides!).
NEUERE LITERATUR (ab 2018 erschienen)
Wittenberger Bibeldruck der Reformationszeit (Mai 2022)
Plus: Neue Forschungsergebnisse von Experten, die den ganzen Tag nichts anderes machen als zur Reformationszeit zu forschen. Minus: Nichts für Rookies - der akademische Stil hat es in sich!Und: teuer!
Erlöste und Verdammte (Februar 2022) - die Bücher von Thomas Kaufmann
Auch wenn ich unter einige seiner Schlussfolgerungen ein großes Fragezeichen stellen muss (so lautet die Antwort auf die Auflagehöhe alter Bibeln bei ihm praktisch immer: "3000". So wie 42 die Antwort auf alle Fragen des Universums ist... Aber und das ist das Entscheidende: Thomas Kaufmannist ausgewiesener Experte zur Geschichte der Reformation. An seinen Büchern führt kein Weg vorbei.
Luther im Exil - Wartburgalltag 1521
Der Bibeldruck wird eher am Rande behandelt, das Buch gibt aber einen guten Einblick in das Umfeld in dem Luthers Übersetzung des NT stattfand - viele Bilder von Ausgrabungen auf der Wartburg - die auch mir neu waren.
Alt aber gut: Buchtipps:
Wegener, S. Günther: 6000 Jahre und ein Buch, Wuppertal 1958
Plus: Das Buch wurde in immer neuen Auflagen laufend aktualisiert und ist der ideale Einstiegstitel. Fetzig und populär geschrieben, liest man es in einem Zug. Man bekommt einen guten Einblick in die Bibelausgaben und den geschichtlichen Hintergrund. Negativ: Für meinen Geschmack wird zu viel und zu lange am Tischendorf-Mythos (ein Forscher, der den Codex Sinaiticus, eine wichtige frühe Bibelhandschrift, entdeckte) gestrickt und eine Bibliographie fehlt auch. Trotzdem: Für Einsteiger ein „must“.
Reinitzer, Heimo: Biblia deutsch, Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition, Wolfenbüttel 1983
Plus: Hier wird schon ein wenig tiefer gegraben als im obigen Buch. Auch wenn es wieder keine Gesamtdarstellung der Bibelausgaben ist (diese fehlt wie gesagt noch immer!), sondern poe-a-poe einzelne Bibeln vorgestellt werden (das Buch war ursprünglich ein Ausstellungskatalog) geschieht das mit großer Sachkenntnis. Der Autor kennt sich aus und das Buch hat eine brauchbare Bibliographie. Minus: Wie der Titel es leider sagt: Die katholischen Bibeln fehlen.
Musseleck, Karl-Heinz: Untersuchungen zur Sprache katholischer Bibelübersetzungen der Reformzeit, Heidelberg 1981
Plus: Überaus kompetente Zusammenfassung zu Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Lutherbibeln und den katholischen „Gegenübersetzungen“. Nüchterne Analyse der Bibelausgaben. Minus: Dissertation, die als Buch erschienen ist – daher teilweise etwas langatmig. Etwas für Interessierte an der Laut- und Sprachentwicklung!
Köster, Uwe: Studien zu den katholischen deutschen Bibelübersetzungen im 16., 17. Und 18.Jahrhundert, Münster 1995
Plus: Wie das Musseleck Buch eine Dissertation in Buchform, kommt aber mehr aus der geschichtlichen und nicht so sehr aus der linguistischen Ecke. Köster ist der ERSTE, der im 20. Jahrhundert eine vollständige Übersicht über die katholischen Bibelausgaben versucht. Die diesbezügliche Liste ist nur wenige Seiten lang, aber dafür umso wertvoller. Wer sich als Sammler ernsthaft für die katholischen Bibeln dieser Zeit interessiert, kommt am Köster nicht vorbei. Minus: Universitätstext, daher etwas aus der Oberliga des Lesens!
Volz, Hans: Hundert Jahre Wittenberger Bibeldruck (1522-1622). Göttingen 1954
Plus: Hans Volz war einer der ganz großen Erforscher der Bibeldrucke. Auf sein Konto geht sowohl obiges Fachbuch, wie auch sehr viele bunte Prachtausgaben zu den deutschen Bibeln. Auch 60 Jahre nach dem Erscheinen ist dieses Buch (leider) das Maß aller Dinge für den Wittenberger Bibeldruck, und dieser wiederum für den Bibeldruck in Deutschland. Minus: Wie viele andere Bücher ist auch dieses Buch vergriffen.
Jahn, Rolf-Dieter: Die Weimarer ernestinische Kurfürstenbibel und Dilherr-Bibel des Enterverlages Nürnberg, Eigenverlag 1986
Plus: Das Non-plus-Ultra zur Bestimmung seiner Endter Bibeln! Die genaue Zuordnung einer Endter Bibel kann oft mühsam sein (da oft nur ein Titelblatt, das dann wieder gerne fehlt). Man ist auf den Vergleich mit Endter Ausgaben angewiesen, die zweifelsfrei taxiert werden können. Diese Aufgabe erfüllt Jahn mit seinem Buch hervorragend. Minus: Ein paar kleine Fehler und die Qualität des Buches (Selbstverlag = Selbstkopie)
Schildenberger-Lentner-Vogel-Knoch: Die Bibel in Deutschland, Kassel 1965
Plus: Dicker Schmöker, der sowohl biblische Heilsgeschichte als auch die Geschichte des Bibeldrucks behandelt. Wichtige Hinweise auf Bibelausgaben des 18. Und 19. Jahrhunderts, die anderswo fehlen. Obwohl aus der universitären Ecke kommend starke katholische Schlagseite, teilweise schon ein wenig überholt.
Kersting, Martin: Alte Bücher sammeln, Ein praktischer Leitfaden durch die Buchgeschichte und die Welt der Antiquariate
Plus: Wer sich ernsthaft mit alten Büchern beschäftigt, braucht auch Einblick in die Welt der Auktionshäuser und Antiquariate. Ein wenig von der Terminologie bietet Der Autor hier an. Ein tolles Register führt einen schnell in das komplexe Fachvokabular ein. Minus: Keines, tolles Arbeitsbuch, sehrt empfehlenswert.
Leonhard, Joachim-Felix: Deutsche Bibeln vor und nach Martin Luther, Ausstellung der Unibibliothek Heidelberg, 1983
Plus: Die überwiegende Menge an Literatur zu alten Bibeln ist anlass bezogen, das heißt, sie ist zu irgendeiner Ausstellung entstanden. Meistens muss es da rasch gehen und viele der Kataloge sind Husch-Pfusch Arbeiten. Andererseits ist es die einzige Möglichkeit, mal eine genaue Kollatierung einer Bibel vorzunehmen. Und wenn man daheim das gleiche Stück hat, weiß man schon eine ganze Menge! Minus: Inhaltlich keine Offenbarung.
Wartburg Stiftung (Hg.): Dies Buch in aller Zunge, hand und herzen, 475 Jahre Luther, Eisenach 2009
Plus: Sehr verständlich geschriebene Einführung in die Geschichte der Luther Bibel, guter Fototeil, akzeptabler Literaturteil. Wer sich auf wenigen Seiten in die Geschichte der Lutherbibel einlesen will, ist hier richtig. Eines der wenigen neueren Werke zur Bibelgeschichte
Bilder der Bibel:
Die Bilder in der Lutherbibel werden eher stiefmütterlich behandelt. Es gibt nur wenige fundierte Publikationen dazu, meist schreibt einer vom anderen ab und man benützt die wenigen Aussagen die man aus Luthers Tischreden hat. Zwei Werke seien hier kurz vorgestellt:
Martin, Peter: Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse, Hamburg 1983
Plus: Das Buch vereint den damaligen Forschungsstand zu den Bildern der Lutherbibel. Der Autor analysiert die Bilder mit viel Hausverstand und akademischer Bildung und entdeckt viel Neues. Das Ganze spielt vor dem Hintergrund, gut aufbereiteter Fachinformation, dass auch den interessierten Laien mitnimmt, aber trotzdem nie platt oder langweilig wirkt.
Schmidt, Ph.: Die Illustration der Lutherbibel von 1522-1700
Plus: Sowohl zeitlich wie auch vom Umfang ein gewichtiges Werk. Das Standardwerk zu den Bildern evangelischer Bibel gehört in jedes Fachauktionshaus (und steht dort auch meist!). Es eignet sich recht gut zur Bilderbestimmung in den Bibeln. Der Autor wagte sich in den 60er Jahren an eine Art Bilder Bibliographie – ein mühsames Unterfangen, das fehlerhaft bleiben musste. Für den Sammler unverzichtbar. Minus: Etliche Bibeln fehlen – der Schweizer Autor hatte damals offenbar keinen Zugang zu den großen deutschen Sammlungen der WLB oder Wolfenbüttel.
Sigrist, Christoph: Die Züricher Bibel von 1531 – Entstehung, Verbreitung und Wirkung, Zürich 2011
Plus: Wer hat es erfunden? Die Schweizer möchte man meinen. Sigrist beleuchtet den Schweizer Sonderweg der Bibelgeschichte soweit es die „Zwinglianer“ angeht. Die frühen Nachdrucke der Bibel und deren Teile sind auch eine Erwähnung wert, ebenso geht er auf die Geschichte der frühen Reformation in der Schweiz ein. Einziges neueres Werk zur Bibelgeschichte, Minus: An sich gute Bibliographie, leider alles sehr „schweizlastig“.
Für Profis: Über Luthers Bibelverdeutschung ist vieles geschrieben worden. Unter anderem viel Quatsch. Eine ganz lobenswerte Ausnahme ist dieses Buch hier:
Stolt, Birigt: Rhetorik des Herzens, Stuttgart 2000
Das am Ende eines langen Forscherlebens eine Frucht namens Weisheit steht, ist leider heutzutage nicht mehr immer wahr. Bei Birigit Stolt trifft es zu! Auch wenn man sich sehr viel mit dem Lutherdeutsch beschäftigt, auch wenn man mit alten Bibeln auf Du und Du ist - dieses Buch bringt neue Einsichten! Stolt schöpft überreichlich aus den wenigen Quellen - die profunde Kenntnis der alten Sprachen sowie eine fundierte Germanistinnenausbildung befähigen sie zu klarer Analyse. Der Titel ist übrigens nicht seltsam - sondern trifft genau, worum es Stolt und wohl auch Luther gegangen ist. Ein tolles Buch eine exellente Forscherin.
Es gibt noch viele weitere Werke als Sekundärliteratur – und ich werde das eine oder andere demnächst vorstellen.